Vivat, vivat, Bernhard Dahms: Ein Oelder Urgestein wird 90

Schreibwarenladen Dahms Lange Straße 7 im Original noch mit Kaugummiautomaten

Schreibwarenladen Dahms Lange Straße 7 im Original noch mit Kaugummiautomaten

Am ersten Tag im neuen Jahr begeht Bernhard Dahms, ein Oelder Urgestein, seinen 90. Geburtstag. Der OELDER ANZEIGER gratuliert diesem prächtigen Zeitgenossen von ganzem Herzen. 

Es gibt wohl kaum einen Oelder, der seinen Schreibwarenladen nicht gekannt hätte: In der Langen Straße 7 residierte Familie Dahms in einem großen Ladengeschäft und versorgte ABC-Schützen mit Schulheften und Bleistiften, große und kleine Kinder mit Spielwaren sowie die Frommen mit Devotionalien vom Rosenkranz bis hin zum Weihwasserbecken.

Schon die Eltern des Jubilars betrieben das Einzelhandelsunternehmen, das von dem 1923 geborenen Sohn Bernhard übernommen werden sollte. Doch zuvor musste der junge Mann in den Krieg und gelangte erst auf Umwegen in die Heimat zurück, um in den elterlichen Betrieb einzutreten. Die Erlebnisse von Krieg und Nazidiktatur hatten aus Bernhard einen überzeugten Pazifisten geformt, der sich nicht scheute, seine Meinung auch offen auszusprechen. Damit geriet er in Widerspruch zu den ewig gestrigen Oeldern wie einem ebenfalls seinerzeit in der Langen Straße ansässigen Buchdrucker, der noch in den 60er Jahren stolz war, ein großes Adolf-Hitler-Porträt über seinem Schreibtisch hängen zu haben.

Bernhard Dahms hatte stets ein offenes Ohr für junge Leute und scheute sich nicht, mit ihnen über aktuelle Fragen der Zeit zu diskutieren. Als überzeugter Christ war er ein erklärter Gegner des Vietnam-Krieges und unterstützte die Ostermarsch-Bewegung, die hunderttausende Menschen im Ruhrgebiet auf die Straßen brachte. Als erklärter Gegner der Notstandsgesetze brachte er den damaligen CDU-Vorsitzenden Raestrup gegen sich auf, der seinen Laden stürmte und das Abhängen kritischer Plakate forderte.

Bernhard war stets interessiert an gutem Essen und perlendem Quell. Da die Oelder Gastronomie wenig bot, sauste er, die Baskenmütze verwegen übers Ohr gezogen, mit dem Moped über die Dörfer, um interessante Lokalitäten zu entdecken. Der herzensgute und stets freundliche Oelder war jedem Thema aufgeschlossen. Noch zu seinem 75. Geburtstag erwarb er ein vielbändiges Lexikon, das er von vorn bis hinten durcharbeitete. Mit stolzen 90 Jahren verfügt es über ein enzyklopädisches Wissen, das seinesgleichen sucht und ist mit einem hellwachen Geist gesegnet.

Jubilar Bernhard Dahms auf seinem Lieblingssessel neben dem alten Dampfradio inmitten seiner exakt geordneten Wunderwelt von alten Schallplatten, Büchern, Lexika, Landkarten und ZeitschriftenFotos: © W. R. Frieling

Jubilar Bernhard Dahms auf seinem Lieblingssessel neben dem alten Dampfradio inmitten seiner exakt geordneten Wunderwelt von alten Schallplatten, Büchern, Lexika, Landkarten und Zeitschriften
Fotos: © W. R. Frieling

Man fragt sich, wie es möglich ist, eine wandernde Enzyklopädie menschlichen Wissens zu werden. Eine Antwort liegt vielleicht darin, dass Bernhard Dahms sein Leben als Junggeselle verbrachte und es stets ablehnte, ein Fernsehgerät zu nutzen. Seine Informationsquellen waren und sind in erster Linie Radio, Zeitschriften und Bücher, von denen seine Wohnung über dem einstigen Laden überquillt.

Nachtrag: Bernhard Dahms verstarb am 22. Mai 2016 im Oelder Marienhospital. R.I.P.

 

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