Deutschunterricht für Flüchtlinge
Im heutigen Gastbeitrag geht es um den ehrenamtlichen Deutschunterricht für Flüchtlinge in Oelde. Über Nächstenliebe, Erfahrungen, den kleinen fünfjährigen Ahmad mit seinem Vater und seiner Schwester berichtet uns Frau Karin Schöneberger, der wir hiermit recht herzlich danken.
Karin Schöneberger berichtet:
Ich werde immer wieder gefragt, wie das denn eigentlich abläuft und ob wir denn alle Lehrer/innen sind oder wie man sich das vorstellen muss. Deshalb möchte ich an dieser Stelle mal unseren Deutschunterricht vorstellen und vielleicht ja auch so die eine oder den anderen für uns gewinnen. Wir sind alles ehrenamtliche Helfer, von denen der größte Teil keine pädagogische Ausbildung hat. Wir sind keine Lehrer, sondern Sprachbegleiter. Man darf sich den Deutschunterricht nicht so wie in der Schule vorstellen oder wie man ihn aus den VHS-Kursen kennt, wenn man selber mal einen Sprachkurs belegt hat, sondern viel lockerer und auch praxisbezogener. Zu uns kann jeder kommen, der möchte, wobei wir für Anfänger und Fortgeschrittene zwei getrennte Gruppen haben. Aber auch da gibt es noch Unterschiede zwischen Leuten, die eventuell auf Englisch in ihrem Heimatland studiert haben oder dem Landarbeiter, der ein paar Jahre die Schule besucht hat.
Der Unterricht
Unseren Unterricht gestalten wir spontan. Wir üben mit den Schülern Alltagssituationen, wie die Begrüßung, die Uhrzeit, Fragen oder mal einen Einkaufszettel und anschließend geht es auf den Markt einkaufen. Wir erfragen die Hobbies, um sie eventuell in einem Verein unterzubringen, zeigen ihnen die Stadtbücherei oder oder oder. Wir sind so viele, dass wir immer mindestens zu zweit bei dem Unterricht sind und auch jeder nur so oft Unterricht machen muss, wie er persönlich kann, d.h. die meisten machen einmal pro Woche Unterricht. Hier im Stadtgebiet heißt das konkret, dass wir inzwischen 5 x pro Woche den Anfänger- und Alphabetisierungskurs anbieten können und 4 x pro Woche den Kurs für die Fortgeschrittenen. Gerne würde ich auch noch Unterricht für die neue Regelunterkunft am Landhagen 88 anbieten können oder Nachhilfe-/Hausaufgabengruppen für diejenigen, die Unterstützung bei einem VHS-Kurs gebrauchen könnten.
Parallel dazu findet auch Deutschunterricht in der Notunterkunft am Landhagen statt. Dieser gestaltet sich anders, da dort die Leute gerade erst in Deutschland angekommen sind und auch nicht wissen, wie lange sie hier in Oelde bleiben. Der Unterricht findet dort vor Ort in dem Versorgungszelt statt. Die Anzahl der Schüler kann zwischen 5 und 50 Leuten variieren. Der Unterricht geht über die Anfänge wie Begrüßung, unser Alphabet, Zahlen, etc. nicht hinaus, da in der nächsten Woche wieder andere Leute dort sitzen können. Von dem Unterricht dort erzählte mir die Sprachbegleiterin Claudia Leewe die folgende Geschichte:
Der kleine Ahmad
Der kleine 5-jährige Syrer Ahmad kam mit seinem Vater und seiner Schwester zum Deutschunterricht. Ich dachte zunächst, er könne nicht schreiben, aber er strahlte mich die ganze Zeit an und “kritzelte” eifrig auf einem Blatt mit. Es nahmen ca. 20 Erwachsene und Kinder an meiner Runde der Anfänger teil. Die Kinder wurden im Laufe der Stunde immer ungeduldiger und hörten irgendwann nicht mehr zu. Nachdem ich dann den Unterricht mit einem “Dankeschön” beendet hatte, lief der Kleine auf mich zu, umklammerte meinen Oberschenkel und gab mir den Zettel.
Gesten und Werte
Solch kleine Gesten sind der Grund, warum wir das tun. Die Leute sind unheimlich dankbar, dass wir ihnen helfen und sie unterstützen. Auch als Frau wird man dort respektiert und höflich behandelt. Wir vermitteln dort nicht nur unsere Sprache, sondern auch unsere Werte. Noch ein kleines Beispiel:
Wir haben Alltagssituationen durchgenommen, so z.B. auch die Situation, dass ich einen in der Stadt treffe und ihn frage: „Sollen wir einen Kaffee trinken gehen?“ oder „Darf ich dich auf einen Kaffee einladen?“. Zwei ähnliche Fragen, aber unterschiedliche Bedeutungen in Hinsicht auf die Bezahlung. In meinem Beispiel bekam ich dann die Antwort: „Nein, ich trinke keinen Kaffee.“ Wir erklären dann, dass es nur bedeutet, dass man in ein Café gehen möchte, da es vielleicht gerade draußen regnet und man sich lieber irgendwo im Warmen unterhalten möchte, aber es bedeutet nicht, dass man einen Kaffee trinken muss, sondern gerne auch ein Wasser oder ähnliches. Aber wir machen dann auch sehr deutlich, dass es nur heißt einen „Kaffee“ trinken und nicht mehr. Gerade mit Rückblick auf die Ereignisse in Köln, sehe ich unseren Unterricht auch als Chance den Flüchtlingen nicht nur die Sprache, sondern auch unsere Werte beizubringen.
Mitmachen
Wer sich gerne selber ein Bild machen oder sogar mithelfen möchte, ist jederzeit gerne willkommen. Kontaktaufnahme über mich, telefonisch unter 02522-63501 oder per Mail [email protected]
Karin Schöneberger