Syrien – Zwei Brüder ziehen Zuhörer in ihren Bann
Hamed und Ahmed Alhamed sind seit 15 Monaten in Deutschland, seit letztem Herbst teilen sie die Eindrücke und Erlebnisse ihrer Flucht aus Syrien. 170 Zuhörer lauschten den Erzählungen am Donnerstagabend, den 2. März 2017 im Bürgerhaus in Oelde. Doch der Abend begann für Hamed bereits vor der ersten Geschichte überraschend.
Am Donnerstagabend luden der Ortsverein Oelde des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) und die Familienbildungsstätte Oelde-Neubeckum zu einem Vortrag der beiden Brüder Hamed und Ahmed Alhamed ein. Die Brüder stammen aus Syrien, sind vor 15 Monaten jedoch nach Deutschland geflüchtet. Mittlerweile wohnen sie in Ennigerloh. Seit Herbst letzten Jahres erzählen sie in ihrer neuen Heimat ihre Geschichte.
“Keine alternativen Fakten, sondern Erfahrungen aus erster Hand.”
Dieter van Stephaudt, Leiter der Familienbildungsstätte Oelde-Neubeckum, eröffnete den Abend und fand direkte Worte zur aktuellen politischen Entwicklung in Deutschland und der Welt.
In einer Zeit, in der alternative Fakten das Geschehen in der Welt bestimmen, wollen wir heute den beiden zuhören. Heute Abend gibt es keine alternativen Fakten, sondern Erfahrungen aus erster Hand.
, so van Stephaudt. Diese Worte fanden bei den 170 Besuchern großen Zuspruch. Ingo Baum, Rotkreuzleiter des DRK-Ortsvereins Oelde, berichtete über die Oelder Flüchtlingsunterkunft “Am Landhagen”. Diese wurde vom DRK ehrenamtlich aufgebaut und betreut, bis hauptamtlich Angestellte dies übernahmen.
Wir haben in der Flüchtlingshilfe viele freundliche und aufgeschlossene Menschen kennengelernt und konnten viel von ihnen erfahren.
Baum schloss mit einer Bitte:
Im Saal stehen Spendendosen. Die Brüder bekommen kein Geld für ihren Vortrag. Die gesammelten Spenden gehen an die Familie der beiden, die noch in Syrien lebt.
Syrien vor dem Krieg – bunt, freundlich und offen
Als Hamed Alhamed das Wort übertragen wurde, musste dieser kurz nach Worten suchen.
Ich bin sprachlos. Das Papier hier in meinen Händen ist mein Asylbescheid für drei Jahre. Ich habe lange gewartet, aber ich darf bleiben.
sagte er sichtlich ergriffen. Die Bescheinigung wurde ihm noch im Bürgerhaus von seinem Rechtsanwalt überreicht.
Ihr erstes Getränk gebe ich aus.
fügte er in Richtung seines Anwaltes hinzu.
Die Präsentation der beiden begann mit Bildern und Filmen, die man in Deutschland kaum noch kennt. Syrien vor dem Krieg – bunt, freundlich und offen. Doch diese Bilder änderten sich. Und mit ihnen die Stimmung bei den Besuchern. Das letzte Lächeln verschwand, als die ersten Schüsse aus den Lautsprechern zu hören und die ersten Explosionen auf der Leinwand zu sehen waren. Aus allen Stadtteilen Oeldes und allen Generationen waren Besucher vertreten. Hamed und Ahmed waren begeistert.
Trotz aller Hetze und Gerüchte: Es gibt immer Menschen, die so etwas hören wollen. Sie interessiert unsere Geschichte. Und das macht uns froh.
Warum Karneval?
Sprache, Kultur, Regeln und Bräuche. Dinge, die ein neuer Bürger erst lernen muss. Ein Beispiel für die Schwierigkeiten bei der Sprache war “Kommst’ klar?” “Da fehlt etwas.
Wie sollen wir eure Sprache lernen, wenn ihr sie nicht richtig sprecht?
fragte Hamed in das Publikum. Ein Lachen schallte durch den Raum, die Stimmung war gehoben.
Es gibt Traditionen, die verstehe ich nicht.
fuhr er fort.
Karneval. Warum? Ich verstehe es nicht! Bier trinken gehört dazu, das habe ich verstanden.
Abschluss fand die Präsentation mit einem Video, welches den Alltag heute darstellt. Erstellt wurde dieses Video von Hamed, der in Syrien als Lehrer und Grafikdesigner tätig war. Hilfe hatte er von Freunden, die er in Deutschland kennengelernt hat. Auch der Abend wurde von einer Freundin der beiden Brüder begleitet. Jana Nivelnkötter übersetzte an Stellen, an denen das Deutsch der beiden, welches “für die kurze Zeit in Deutschland schon sehr gut” sei, nicht ausreichte und sie so Englisch sprachen.
Ein gelungener Abend trotz des ernsten Themas
Hamed war auch am Ende der Veranstaltung noch sprachlos:
Ein voller Raum, viele interessierte Menschen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.
Ahmed fand Worte:
Es ist schön zu sehen, dass so viele Leute zuhören wollen. Niemand ist gezwungen hier zu sein. Alle sind freiwillig hier. Vielleicht konnten wir den Menschen hier etwas Neues zeigen, vielleicht das Denken ändern.
Viele Besucher stellten den beiden noch Fragen, bedankten sich oder sprachen ihnen Mut zu für die nächste Zeit.