„Das Ich erzählen“ – Wie Geschichten Identität formen

Die neue Sonderausstellung im Museum für Westfälische Literatur – Kulturgut Haus Nottbeck beschäftigt sich mit der Frage, aus welchen Spannungsverhältnissen unsere Identität erwächst. Im multimedialen Erlebnisraum treffen die Besucher auf verschiedene, zu großen Teilen collagenartige Kunstinstallationen, die in freier Auseinandersetzung mit ausgewählten Textpassagen entstanden sind. Das Literaturmuseum arbeitete für das ungewöhnliche Projekt mit jungen Künstlerinnen und Künstlern aus der Region zusammen. Die Ausstellung ist bis zum 4. August im Kulturgut Haus Nottbeck in Oelde zu sehen.

Johannes Dreyer & Lena Weber Foto: Dirk Bodganski



Stromberg – Orange Streifen durchlaufen den Raum der Sonderausstellung und teilen ihn in drei Themenbereiche ein: Die Sektion „ICH ist TREND“ fragt nach den Widersprüchen, die daraus entstehen, dass wir in Zeiten von Social Media und Creative Economy nicht mehr nur möglichst individuell sein können, sondern auch sein müssen; „Bröckelnde Selbstverhältnisse“ rückt die Verstrickung von Welt- und Selbstwahrnehmung ins Zentrum; das Themenfeld „Kollektive Identität“ schließlich beschäftigt sich mit dem Phänomen der Selbstaufgabe angesichts großer Gemeinschaftsziele. In allen Sektionen finden sich Textpassagen westfälischer Autorinnen und Autoren quer durch die Jahrhunderte.

Impression Foto: Haus Nottbeck

Sie gaben den Anstoß für unterschiedliche künstlerische Auseinandersetzungen, die als assoziative Annäherung und keineswegs als abschließende Interpretation aufgefasst werden sollten. Viele der Kunstwerke bedienen sich des Mittels der Collage, etwa die zentrale Videoinstallation „4:1“, in der über vier Fernsehgeräte die Gesichtspartien verschiedener Bielefelder Schauspieler zu einem neuen Gesicht zusammengepuzzelt werden. Oder eine Audiocollage, die Jörg Albrechts Dystopie „Anarchie in Ruhrstadt“ mit Wolfgang Körners Pop-Roman „Nowack“ verwebt und mit wechselnden Stimmen zusätzlich verfremdet.

Foto: Haus Nottbeck

Für den Literaturwissenschaftler und Museumspädagogen Johannes Dreyer, der die Ausstellung konzipiert und kuratiert hat, lag es nahe, sich dem Thema Identität über Collagenmethoden zu nähern. Denn kaum eine andere Kunstform bringt so deutlich zum Ausdruck, wie viele unterschiedliche Einflüsse unsere Identität bedingen. Wir sind immer schon in mehrere Sinnzusammenhänge eingebettet – dabei kann es sich um Modetrends, Weltanschauungen, Traditionen, Ideologien und vieles mehr handeln. Oder, um es in einem Wort zu benennen: um Geschichten. Doch nicht nur die Kunsttechniken und Medien sind vielzählig, auch die Personen, die ihre kreativen Arbeiten beigesteuert haben. Das Museum will mit der Ausstellung interessanten Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform bieten und ihre Werke den eigenen gegenüberstellen. Besucher dürfen sich u.a. auf eine großformatige Fotoreihe freuen, die die Fotografin Ute Friederike Schernau (Münster) in Kollaboration mit der Modedesignerin Daniela Macuh (Bielefeld) entwickelt hat.

Lena Weber & Johannes Dreyer Foto Dirk Bodganski

Oder auf Collagen des Bielefelder Künstlers Cornelius Grunt, der unter seinem Instagram-Profil „inside_a_ginger“ schon rund 30.000 Follower für sich gewinnen konnte. Für Projektkoordinatorin Lena Weber, die in Bielefeld Literaturwissenschaft studiert und gelehrt hat, war es keine leichte Aufgabe, diese Vielfalt in ein ästhetisches Konzept zu gießen. Doch das Ergebnis, das sie und Johannes Dreyer geschaffen haben, kann sich mehr als sehen lassen und verspricht, auch ein jüngeres Publikum anzuziehen. Die Ausstellung wurde durch die Sparkasse Münsterland Ost gefördert. Sie kann bis zum 4. August 2019 während der Öffnungszeiten des Museums besucht werden.

Wann und wo?

18.05.-04.08.2019

„Das Ich erzählen – Identitätsbildung in der Westfälischen Literatur“

Weitere Informationen unter Tel.: 0 25 29 / 94 55 90 und www.kulturgut-nottbeck.de

Museum für Westfälische Literatur – Kulturgut Haus Nottbeck

Landrat-Predeick-Allee 1, 59302 Oelde-Stromberg