Konkurrenz für Amazon

Verschläft der Oelder Handel die Zukunft?

Ratssitzung am 04.06.2018 – 17:45 Uhr

In der kommenden Ratssitzung am 04.06. wird die SPD-Fraktion im Rat einen Antrag einbringen, der im Online Informationssystem der Stadt Oelde hier nachzulesen ist. [Dieses Informationssystem für uns Bürger ist eine großartige Sache, dort kann jeder ausführlich über den Rat, seine Zusammensetzung, die Ausschüsse, die Sitzungen, die jeweiligen Anträge und auch die Protokolle der Sitzungen nachlesen. Alles kostenlos und ohne Registrierung zugänglich.]

In diesem Antrag, der im Folgenden zitiert wird, geht es um die Einrichtung eines Online-Marktplatzes für Oelde:

Antrag der SPD-Fraktion für die Ratssitzung

Im Folgenden der Antrag der SPD-Fraktion

>> Sehr geehrter Herr Bürgermeister Knop,

die SPD-Fraktion im Rat der Stadt Oelde beantragt, die Erarbeitung eines Konzepts für einen Onlinemarktplatz. Dieses soll in Zusammenarbeit mit dem Oelder Einzelhandel entwickelt werden. Der Onlinemarktplatz sollte im ersten Schritt den Oelder Einzelhändlern die Möglichkeit bieten, ihre Produkte online zu präsentieren und zu verkaufen. Gleichzeitig sollen weitere Serviceleistungen angeboten werden, um digital und lokal zu verknüpfen. So soll es möglich sein, Artikel online zur Abholung oder Anprobe zurücklegen zu lassen. Oder Artikel im Geschäft zu kaufen und sich anschließend bequem nach Hause liefern zu lassen.

Zuletzt hat das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) im Rahmen der „Sozialraumanlayse des Oelder Südens“ den Punkt Versorgung betrachtet. Dabei hat sich ergeben, dass der Bedarf nach einem Lieferservice, vor allem für Lebensmittel, in Oelde besteht. Die SPD-Fraktion greift den Punkt mit diesem Antrag auf und sieht zusätzlich Bedarf einer Digitalisierung des lokalen Einzelhandels, um sich im Umfeld eines zunehmenden Wettbewerbes durch Amazon behaupten zu können.

Die Attraktivierung der Oelder Innenstadt muss das erklärte Ziel der Stadtverwaltung sowie aller Fraktionen im Oelder Rat sein. In Zeiten des zunehmenden Onlinehandels, kann sich der Einzelhandel vor Ort nur durchsetzen, wenn er neben guter Beratung und Produkte auch den Komfort des Onlinehandels anbietet. Mit einem digitalen Marktplatz wird die Verknüpfung zwischen lokalen Angeboten und der digitaler Welt hergestellt. Neben einem gesteigerten Umsatz für die Einzelhändler, kann dies auch zu einer Belebung der Innenstadt beitragen. Die Plattform kann als eine Art Schaufenster dienen und die Nutzer animieren, gezielt die Oelder Innenstadt aufzusuchen.

Nach einer erfolgreichen Anfangsphase mit dem lokalen Einzelhandel, soll das Angebot entsprechend erweitert werden. Eine Möglichkeit ist es beispielsweise, Tischreservierungen für die Oelder Restaurants über die Plattform zu ermöglichen.

Die Stadt Monheim hat mit ihrem Portal „Monheimer Lokalhelden“  (www.atalanda.com/monheim-am-rhein bzw.  www.monheimer-lokalhelden.de) gezeigt, dass solche Konzepte den Handel vor Ort beleben können. Ein weiteres Beispiel für funktionierende Konzepte ist das Portal Lokaso, welches unter anderem von der Stadt Siegen genutzt wird (www.siegen.lokaso.de). <<

Hier versucht die SPD also einen Schritt in die Zukunft der Entwicklung der Stadt Oelde zu tun und eine Antwort auf die sich ständig verringernden Umsätze in den lokalen Geschäften zulasten des Online-Handels zu finden.

Was ist ein Online-Marktplatz?

Doch was ist ein Online-Marktplatz? Der Oelder Handel, und damit auch die Stadt Oelde, ist weder die erste, noch die einzige und auch nicht die letzte Stadt, die unter dem jährlich im zweistelligen Prozentsatz steigenden Umsatz der Onlinehändler leidet. Der bevh, der Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland e. V. mit mehr als 300 Mitgliedern, berichtet ständig von steigenden Umsätzen. Auf der Internetseite t3n.de war am 19.04.2018 zu lesen, dass der deutsche Handel insgesamt für dieses Jahr eine Umsatzsteigerung von 2,00 % bereinigt um die Inflationsrate lediglich 0,20%, prognostiziert, wobei jedoch der Onlinehandel, als Teil des gesamten Handelsumsatzes im Land mehr als 10 % Zuwachs verzeichnen dürfte.

Und da wir Kunden augenscheinlich immer weniger vor Ort einkaufen und immer mehr zum Onlinehandel tendieren bleibt natürlich die Frage, wie es um die Städte, ihre Attraktivität der Innenstädte, aber auch der Einnahmen durch Steuern etc. bestellt sein wird, wenn diese Entwicklung ungebremst fortschreitet.

Hier setzt genau das Konzept des Online-Martkplatzes ein. Dieser Marktplatz ist fast genauso wie ein richtiger Marktplatz in der Stadt, nur eben online. Der im Antrag der SPD genannte Anbieter, die Lokaso GmbH, ist selber kein Handelshaus, sondern ein Tochterunternehmen der Webagentur Billiton GmbH, welches lediglich die Plattform zur Verfügung stellt, auf der gehandelt werden kann. Analog zu eBay oder Amazon, wo jeder seine Produkte verkaufen kann. Diesem Unternehmen geht es also nicht um Oelde oder andere Städte, sondern um den möglichst flächendeckenden Einsatz ihres Produkts.

Screenshot der Händlerseite des Marktplatzes in Siegen

 

Die angebotenen Marktplätze werden, dem Franchise-System ähnlich, von Betreibergesellschaften geführt, die sowohl Ansprechpartner vor Ort, als auch auslieferndes Unternehmen sind. Für die Dienstleistung der Bereitstellung des Marktplatzes bekommt das Softwarehaus einen monatlichen Betrag vergütet, den die Betreibergesellschaft zu bezahlen hat. Diese wiederum vermietet die einzelnen Marktstände an örtliche Händler, die dadurch zum Einen die Möglichkeit haben, sich mit einem in der Stadt einheitlichen Layout immer aktuell präsentieren zu können, ohne hierfür die Infrastruktur aufbieten zu müssen und zum anderen haben die Händler eben auch die Möglichkeit, ihre jeweiligen Produkte direkt vor Ort an die Bürgerinnen und Bürger zu verkaufen und Dienstleistungen anzubieten. Hierfür bezahlt der örtliche Händler die Betreibergesellschaft. Der Einzige, der nicht direkt bezahlen soll, ist der Kunde. Lieferung kostenlos. Soweit das Konzept.

Projekt in Wadersloh und Oelde?

Im Zuge der Recherche fanden wir eine Pressemitteilung, aus der hervorgeht, dass die Oelder Druckerei R. Festge GmbH bereits im Jahr 2016 mit der Lokaso GmbH einen Vertrag über den Betrieb von 4 Internetkaufhäusern geschlossen hatte. Auf Anfrage des Oelder Anzeigers bestätigte Frau Andrea Stahnke, Geschäftsführerin der R. Festge GmbH den Vertragsabschluss, teilte aber gleichzeitig mit, dass die Vorstellung des Projektes in Wadersloh, wo ebenfalls ein Online-Marktplatz geplant war, auf sehr großes Interesse gestoßen war, sich in Oelde jedoch die Begeisterung des ansässigen Handels in überschaubaren Grenzen gehalten habe.

Die Internetseite MeinWadersloh.de berichtete am 12.04.2017 über die Vorstellung des Projektes in Wadersloh, ebenso erfolgte am 19.04.2017 eine Meldung durch den Gewerbeverein Wadersloh.

Auf diese Veranstaltung in Wadersloh angesprochen, erklärte Frau Stahnke, dass das anfängliche Interesse zwar groß gewesen sei, letztendlich aber leider ein zu geringer Anteil der Wadersloher Kaufmannschaft Bereitschaft gezeigt habe, tatsächlich online aktiv zu werden. Die Wirtschaftsförderung Waderslohs sei allerdings auch später an einer Fortführung des Projekts interessiert gewesen und habe mehrfach nachgefragt, ob es denn weitergehe.

Auch in Oelde  habe man das Projekt des Online-Marktplatzes vorgetragen, jedoch ohne ausreichende Resonanz, so dass die R. Festge GmbH sich mittlerweile von den Plänen zurückgezogen habe und nicht weiter an der Digitalisierung des Oelder Einzelhandels arbeite.

Kein Bedarf des Oelder Einzelhandels?

Ähnliches weiß Hans Preckel zu berichten. Er betreibt die Internetseite Oelde City.

Hier können Oelder Unternehmen eine kostenlose Präsentation platzieren. Seit Ende des Jahres 2016 können Oelder Unternehmen dort aber nicht nur sich selbst präsentieren, sondern auch die Nutzung eines Online-Shops ist vorgesehen, denn nach Aussage von Herrn Preckel in einem telefonischen Interview ist es das Anliegen der Internetseite Oelde-City, dem lokalen Einzelhandel aufzuzeigen, dass sich Offline- und Onlinehandel nicht ausschließen, sondern im Gegenteil ergänzen. Hier sei aber noch sehr viel Aufklärungsarbeit erforderlich, denn viele Händler, nicht nur in Oelde, sähen im Internet lediglich eine Präsentationsmöglichkeit, weniger jedoch eine Verkaufsplattform. Sein Anliegen sei es, diese Verkennung der Möglichkeiten auszuräumen und da er eine Verzahnung von Geschäftslokal in Oelde und einem Onlineshop als unverzichtbar ansähe, habe er die Plattform Oelde-City.de ins Leben gerufen. Vielfach seien einem einzelnen Händler die zusätzlichen Aufwendungen, die Kosten und die Administration eines eigenen Online-Shops zu teuer, zu komplex und zu ungewohnt, als dass er sich ausführlich damit beschäftige. Das jedoch sei keine Option um gegen Amazon, eBay, Zalando Otto und Co. zu bestehen.

Doch warum ein Antrag durch die Politik?

Freundlicherweise hat sich einer der beiden Sprecher der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Oelde, Herr Florian Westerwalbesloh, bereit erklärt, dem  Oelder Anzeiger zum Antrag und dem Vorhaben einige Fragen zu beantworten.

Oelder Anzeiger: Sehr geehrter Herr Westerwalbesloh, vielen Dank, dass Sie sich als Sprecher der SPD-Fraktion bereits im Vorfeld der Einbringung Ihres Antrags in den Rat bereit erklärt haben, sich unseren Fragen zu stellen und die Bürger zu informieren. Warum stellt die SPD in der kommenden Ratssitzung diesen Antrag?

Florian Westerwalbesloh: Als SPD-Fraktion liegt uns die Entwicklung der Oelder Innenstadt am Herzen. Allerdings spüren auch wir den Wandel zum Onlinehandel. Zukünftig werden wir vor den Toren der Stadt einen Amazon Standort haben. Amazon führt bereits an einigen Standorten die Lieferung am gleichen Tag aus. Der lokale Einzelhandel muss auf solche Entwicklung reagieren und weiterhin am Markt bestehen zu können. Die Sozialraumanalyse des Oelder Südens zeigte aber auch zuletzt einen deutlichen Bedarf an einem Lieferservice für Lebensmittel auf. Ein solcher Onlinemarktplatz trägt dazu bei, örtliche Nahversorgung zu stärken und so Personengruppen mit eingeschränkter Mobilität mit Produkten lokalen Lebensmittelhändler zu versorgen.

Oelder Anzeiger: Was soll dieser Marktplatz bewirken?

Florian Westerwalbesloh: Wir wünschen uns eine Attraktivierung der Serviceleistungen der Oelder Einzelhändler. Eine weitere Möglichkeit lokal einzukaufen wie z. B. Menschen, die nicht mehr so mobil sind oder für (auswärts) Berufstätige, die nicht zu den üblichen Öffnungszeiten in die Innenstadt kommen können.

Oelder Anzeiger: Wer soll Betreiber einer solchen Plattform sein? Kommune und Handel gemeinsam, oder soll es ein Angebot der Kommune an den Handel sein, um die Attraktivität der Stadt zu steigern?

Florian Westerwalbesloh: Hier sind für uns verschiedene Konzepte denkbar. Von einer Eigenentwicklung einer Plattform (Zusammenarbeit zwischen Einzelhändlern und der Stadt Oelde) bis zu einer Nutzung einer bestehenden Plattform eines Drittanbieters (hier hätte die Stadt eine Moderationsfunktion und würde ggf. eine Anschubfinanzierung leisten). Wir haben uns bewusst noch nicht auf eine Variante festgelegt, die verschiedenen Möglichkeiten sollen mit dem Handel erarbeitet werden.

Oelder Anzeiger: Ist ein solcher Marktplatz nicht eher eine Aufgabe für die örtlichen Händler, z. B. den Gewerbeverein der Stadt Oelde?

Florian Westerwalbesloh: Eine attraktive Innenstadt mit einem gut aufgestellten Einzelhandel ist ein Anliegen der Oelder Bevölkerung und damit auch die Aufgabe der Stadt. Es sind im Vorfeld private Versuche gescheitert eine solche Plattform in Oelde einzuführen, hier ist nun die Stadt gefragt einzugreifen. Wichtig ist uns, dass die Erarbeitung des Konzepts und auch die spätere Umsetzung in enger Zusammenarbeit mit den Einzelhändlern erfolgt. Die Stadt muss aber die Aufgabe übernehmen, dieses Projekt konsequent voranzutreiben.

Oelder Anzeiger: Gab es im Vorfeld Absprachen mit den örtlichen Händlern über das Interesse an einem solchen Marktplatz?

Florian Westerwalbesloh: Es sollte zuerst ein politischer Impuls gesetzt werden, um dieses wichtige Thema auf die Agenda zu bringen.

Oelder Anzeiger: Wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, gibt es ja bereits andere Städte, die einen Online-Marktplatz zur Verfügung haben. Haben Sie im Vorfeld Ihres Antrags mit den Kommunen über deren Erfahrungen gesprochen?

Florian Westerwalbesloh: Nicht direkt mit den Kommunen, aber zum Teil mit Nutzern von Angeboten in anderen Städten. Außerdem erfolgte eine intensive Recherche von bestehenden Plattformen.

Oelder Anzeiger: Auf der Internetpräsenz der Lokaso GmbH, dem Betreiber des Online-Marktplatzes in Siegen findet man ein Online-Magazin, aus dem hervorgeht, dass es für Oelde bereits ein Projekt gibt. Eine andere Pressemitteilung der Lokaso GmbH vom 17.02.2017, die erläutert, dass die Druckerei Festge als Betreibergesellschaft für 4 regionale Webkaufhäuser gewonnen werden konnte. Gibt es bereits Austausch mit der Druckerei Festge über die Möglichkeiten eines Online-Marktplatzes für Oelde?

Florian Westerwalbesloh: Wir wollen einen frischen Impuls setzten, der ein ergebnisoffenes Konzept als Ziel hat. Deswegen soll nicht an alte Versuche angeknüpft werden oder bereits im Vorfeld eine mögliche Lösung präferiert werden.

Oelder Anzeiger: Auf der Internetseite von MeinWadersloh.de ist in einer Meldung vom April 2017 zu lesen, dass die Lokaso GmbH auch dort bereits ihr Konzept vorgestellt hat, welches aber augenscheinlich bis heute nicht realisiert wurde. Wieso glauben Sie, dass ein derartiges Konzept für Oelde funktionieren könnte, wenn in Wadersloh z. B. seit einem Jahr nichts mehr davon zu hören ist?

Florian Westerwalbesloh: Lokaso ist nicht die einzige Möglichkeit. In Monheim wird beispielsweise die Plattform Atalanda GmbH sehr erfolgreich genutzt. Es sollen auf jeden Fall verschiedene Varianten in Betracht gezogen werden. Für Wadersloh kann und möchte ich keine Bewertung vornehme. Scheinbar machen sich auch andere Städte Gedanken und versuchen Kaufkraft vor Ort zu binden.

Oelder Anzeiger: Wie wird ein derartiges Projekt finanziert und wie hoch werden die Anlaufkosten voraussichtlich sein?

Florian Westerwalbesloh: Oft werden derartige Plattformen durch eine prozentuale Abgabe vom Umsatz durch jeden Händler finanziert. Andere Finanzierungsvarianten sind aber auch denkbar. Gerade für die Planung und die Schaffung der entsprechenden Voraussetzungen könnten aber voraussichtlich Mittel aus dem städtischen Haushalt benötigt werden. Die Art der Finanzierung ist stark vom jeweils gewählten Konzept abhängig. Wichtig ist uns aber, dass am Ende ein möglichst qualitatives Produkt (Marktplatz) steht, dessen Finanzierung natürlich wirtschaftlich sein muss.

Oelder Anzeiger: Herr Westerwalbesloh, vielen Dank für das Gespräch.

 

Abstimmung

Da die Einrichtung eines Online-Marktplatzes für Oelde ja auch von den Bürgern gewünscht und akzeptiert werden sollte, und,  nach Einrichtung eines solchen Marktplatzes, dieser auch genutzt werden muss um wirtschaftlich betrieben zu werden, möchte der Oelder Anzeiger seine Leserinnen und Leser heute ermuntern sich an der Diskussion um einen solchen Online-Marktplatz für Oelde zu beteiligen. Hierzu haben wir eine Umfrage erstellt, welche Sie unten finden. Damit eine möglichst realistische Einschätzung der Abstimmung vorgenommen werden kann, ist die Teilnahme für jeden Leser und jede Leserin nur einmal vorgesehen. Die Abstimmung ist bis zum 11.06.2018 00:00 Uhr geöffnet.

[yop_poll id=1]