Die »Fortsetzung einer tragischen Entwicklung, nämlich die eigene Unfähigkeit als Mittel gegen die Wählerschaft einzusetzen« wäre aus Sicht der Bürgerinitiative gegen die geplante Umgestaltung des Oelder Marktplatzes eine erneute negative Entscheidung des Rates der Stadt. Die Stadtverwaltung hatte sich bei der Durchführung der Abstimmung über das Bürgerbegehren einen folgenreichen Fehler geleistet, der das Wahlergebnis ungültig macht. Nun soll der Rat in einer Sondersitzung entscheiden, wie es weitergeht.
Pressemeldung der Initiatoren des Bürgerbegehrens vom 04.04.2019
Auf Grund eines rechtlichen Versäumnisses der Stadt Oelde dürfen nachträglich eingegangene Briefwahlstimmen beim Bürgerentscheid über die Zukunft des Oelder Marktplatzes nicht mitgezählt werden. Stattdessen soll der Rat der Stadt noch einmal darüber entscheiden, ob dem bereits einmal abschlägig beschiedenen Bürgerbegehren doch noch entsprochen werden soll. Im Falle einer Ablehnung durch den Rat müsste dann ein erneuter Bürgerentscheid durchgeführt werden. Soweit die formalrechtliche Einordnung, die eine durchaus heile Welt widerspiegelt.
Nimmt man eine politische Einordnung vor, kann man aber zu ganz anderen Ergebnissen und Schlussfolgerungen kommen, denn an den Erfolg eines Bürgerbegehrens hat der Gesetzgeber ohnehin schon sehr hohe Hürden geknüpft. All diese Hürden haben die Initiatoren des Oelder Bürgerbegehrens souverän genommen und wurden schlussendlich durch die Unfähigkeit der städtischen Verwaltung an der vollen Wahrnehmung ihres Rechts behindert.
In diesem Zusammenhang muss auch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass der Rat als Aufsichtsgremium ein wesentlicher Teil der Verwaltung ist und die letztliche Kontrollfunktion innehat. Insofern müssen sich die Ratsmitglieder mit der Frage beschäftigen, ob sie diese Fehlleistung dulden und welche Konsequenzen ggf. zu ziehen sind.
Sollte der Rat nun dem Bürgerbegehren mehrheitlich nicht nachkommen und einen erneuten Bürgerentscheid erzwingen, wäre dies die Fortsetzung einer tragischen Entwicklung, nämlich die eigene Unfähigkeit als Mittel gegen die Wählerschaft einzusetzen. Dies wäre folgenreich und würde einer weiterwachsenden Politikverdrossenheit den Weg ebnen. Genau für das Gegenteil setzen sich die Initiatoren des Bürgerbegehrens ein.
Pressemitteilung der Stadt Oelde vom 03.04.2019
Die rechtliche Bewertung des Kreises Warendorf als Aufsichtsbehörde zum Bürgerentscheid vom 24. März 2019 ist heute Vormittag eingegangen. Die 28 verspätet eingegangenen Stimmbriefe dürfen danach nicht in das Ergebnis einbezogen werden.
Nunmehr soll der Rat der Stadt Oelde in einer Sitzung am Donnerstag, 11. April, 16 Uhr, erneut über das Bürgerbegehren beschließen.
Nachfolgend übersenden wir Ihnen die heutige gemeinsame Presseerklärung des Kreises Warendorf und der Stadt Oelde
Kommunalaufsicht empfiehlt:
Oelder Rat sollte über Bürgerbegehren erneut beschließen
Der Kreis Warendorf als Kommunalaufsicht hat der Stadt Oelde nach Abstimmung mit der Bezirksregierung mitgeteilt, dass die 28 verspätet zugestellten Stimmbriefe für den Bürgerentscheid nicht gewertet werden dürfen.
Die Stadt war am vergangenen Freitag (29. März) an die Kommunalaufsicht mit der Frage herangetreten, ob trotz verspäteten Eingangs eine nachträgliche Berücksichtigung dieser Stimmen möglich ist. Gezählt werden dürfen jedoch nur Stimmzettel, die bis zum 24. März um 16 Uhr im Rathaus eingegangen sind.
Im Merkblatt zum Bürgerentscheid der Stadt war irrtümlicherweise nachzulesen, dass Stimmbriefe, die am Freitag (22. März) versendet werden, noch rechtzeitig zugehen können. Dies war tatsächlich aber nicht möglich, weil der Stadt auf Grund einer Vereinbarung mit dem Postdienstleister samstags keine Post zugestellt wird.
„Es lag im Verantwortungsbereich der Stadt Oelde, dafür Sorge zu tragen, dass Stimmbriefe auch am Samstag per Post im Rathaus zugestellt werden. Die Absender der 28 Stimmbriefe trifft also keine Schuld“, betonte Landrat Dr. Olaf Gericke. „Eine nachträgliche Wertung der verspäteten Stimmbriefe wäre zwar eine pragmatische Lösung gewesen, dies lässt das geltende Wahlrecht aber nicht zu. Wir empfehlen, dass sich der Rat mit dem Bürgerbegehren erneut auseinandersetzt. Falls er dem Begehren dann nicht entspricht wäre ein neuer Bürgerentscheid unumgänglich, um dem Bürgerwillen Rechnung zu tragen“, so der Landrat.
Der Landrat hat Bürgermeister Knop heute Morgen seine Rechtsauffassung mitgeteilt. „Dadurch haben wir jetzt rechtliche Klarheit – auch wenn uns ein anderer Weg lieber gewesen. Mit einer Zählung der verspäteten Stimmbriefe hätten wir den Willen der Bürger am Abstimmungstag ermittelt. Mir ist aber sehr an einer rechtlich korrekten Lösung gelegen – und die werden wir nun finden. Ich werde für die kommende Woche eine Ratssitzung einberufen. Im Rat werden wir die neue Situation erörtern und entscheiden, ob dem Bürgerbegehren stattgegeben oder aber eine erneute Abstimmung durchgeführt werden soll“, so die Reaktion des Bürgermeisters.
Die Bezirksregierung hat die Auffassung der Kommunalaufsicht am Dienstagnachmittag (2. April) bestätigt.
Wie geht es weiter?
Nun liegt der Ball also wieder im Spielfeld der Oelder Ratsherren. Aufgrund der Sachlage und der daraus resultierenden Einschätzung des Kreises gehen Beobachter davon aus, dass das Gremium den eigenen Beschluss wieder aufhebt und sich für die Forderung der Bürgerinitiative entschließt. Doch in Oelde ist alles möglich, und Sturheit kommt vor politischer Vernunft. Alternativ müsste ein neuer Bürgerentscheid (sprich: Wahl) stattfinden, der eventuell mit den Europawahlen gekoppelt werden könnte, die Ende Mai stattfinden.
Wahrnehmungsstörungen und Realitätsverlust, oder nur Selbstmitleid?
Dass die Verwaltung so schlecht organisiert ist, dass ein dermaßen einfacher Fehler, wie das ausbleibende Zustellen der Post am Tag vor dem Bürgerentscheid, geschehen kann, ist betrüblich, denn was kann dann sonst noch alles passieren?
Hieraus jedoch in völliger Verkennung der Umstände und in einem unerträglichen Ton des Selbstmitleids davon zu sprechen, dass die Initiatoren des Bürgerbegehrens durch die Unfähigkeit der städtischen Verwaltung an der vollen Wahrnehmung ihres Rechts gehindert wurden, ist eine bodenlose Unverschämtheit.
Niemand ist behindert worden!
Ein Fehler ist geschehen, ja! Aber daraus entsteht weder eine Staatskrise auf kommunaler Ebene, noch ein Nachteil für die Initiatoren des Bürgerbegehrens. Wir sind lediglich da, wo wir vor einigen Wochen auch schon waren. Nämlich vor der Entscheidung des Rates, ob er dem eingereichten Bürgerbegehren zustimmt, oder ob er es zu einem Bürgerentscheid kommen lassen will.
Nicht mehr und nicht weniger. Und, sollte der Rat in seiner Sitzung am 11.04. zu dem Ergebnis kommen, dass dem Bürgerbegehren nicht nachgegeben wird, dann ist es eben auch so. Hier von einem Einsatz der Fortsetzung eigener Unfähigkeit als Mittel gegen die Wählerschaft zu sprechen, grenzt an … mir fehlen die Worte.
Und ein identisches Ergebnis zum ersten Beschluss des Rates in Bezug auf das Bürgerbegehren würde auch einer wachsenden Politikverdrossenheit nicht den Weg ebnen. Den Rat auf diese Art und Weise beeinflussen zu wollen und ihm mit einem durch nichts gesicherten Verhalten der Wählerinnen und Wähler bei der kommenden Kommunalwahl zu drohen, zeigt ein etwas verqueres Verständnis unseres demokratischen Gemeinwesens.
Die wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Oelde haben am 24.03. entschieden. Durch einen dummen Fehler wurden nicht sämtliche Stimmen gezählt. Das ist schade. Jetzt entscheidet der Rat neu. Das ist gut. Und wenn er ebenso entscheidet wie beim ersten Mal, [da sich die Grundlagen der Entscheidung nicht geändert haben, wäre das nur stringent] entscheiden die Wählerinnen und Wähler dann erneut. Das wäre z. B. im Zusammenhang mit der Europawahl ohne jegliche Mehrkosten möglich.
Und entgegen der Auffassung der Initiatoren vor einem für sie dann möglichweise ungünstigen Ausgang einer erneuten Abstimmung, sehe ich vielmehr die einmalige Gelegenheit für die Initiatoren, weitere Einwohnerinnen und Einwohner auf ihre Seite zu ziehen, von ihren, wenn auch sachlich und fachlich falschen, Argumenten zu überzeugen und einen für sie deutlichen Sieg zu erringen.
Wir sollten jedoch niemals Angst vor den Regeln der Demokratie haben. Und auch niemandem Angst davor machen.